Newsletter 3/16

  1. Editorial
  2. Neuer Vorstand
  3. Dank an Eli Sturmhöbel
  4. Fahrrad AG
  5. Café International
  6. „Der Klavierspieler von Jarmuk“ Ein Konzert mit Aeham Ahmad
  7. Bilder

1. Editorial
Lieber Mitstreiterinnen,
liebe Mitstreiter,
„ich schick Dir das Zitat von Kant per Mail. Das solltest du mal im Newsletter  veröffentlichen.“
Tja, und da isses:
‚Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.’
Nun haftet dem Zitieren gern mal was plagiatives an. Man schmückt sich ja mit fremden Federn. Scheint schlau. Überlässt dem Zitierten das Denken.  Irgendwas bleibt schon bei einem selbst hängen. Und überhaupt: Was hat Kants Erklärung der Aufklärung mit unserem Verein und unserer Arbeit zu tun? Unmündigkeit. Selbstverschuldet?
Vor wenigen Tagen wurde das Wort „postfaktisch“ zum Wort des Jahres gewählt. Wie die GfdS erläutert, verweist das Kunstwort „postfaktisch“ darauf, „dass es in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen heute zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht“. Es gebe eine globale Entwicklung „von der Wahrheit zur gefühlten Wahrheit“. In diesem „tiefgreifenden politischen Wandel“ seien immer größere Bevölkerungsschichten „in ihrem Widerwillen gegen, ‚die da oben’ bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen zu akzeptieren“.
Ist postfaktisch heute das, was Kant als selbstverschuldete Unmündigkeit bezeichnet hat? Ganz so einfach ist es sicher nicht, denn während der Mensch der Aufklärung abhängig davon war, überhaupt erst einmal die Chance zu bekommen, den Mut aufzubringen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, sind wir heute wohl ausgebildete Menschen, mit Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen, Thesen zu diskutieren, zu überprüfen, Ideen zu entwickeln und auszutauschen, die Kant hätten schwindelig werden lassen.

Aber doch: Wer seine Emotionen statt Fakten zur Grundlage seiner Überlegungen macht, der begibt sich in eine Unmündigkeit. Vor einigen  Monaten wurden bei einer Straßenumfrage zu vermeintlichen Straftaten von Flüchtlingen Passanten mit den Fakten konfrontiert, dass es keine statistisch feststellbare Erhöhung der Anzahl der Straftaten gibt. Die Antwort einer Passantin war: „Ja, aber ich glaube das trotzdem.“ Gefühlte Wahrheit. Nun kann einem die postfaktische Ignoranz, die selbstverschuldete Unmündigkeit einer Passantin egal sein, wäre diese nicht wiederum Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen, die unmittelbar die Menschen betrifft, für die wir uns einsetzen. Wir müssen in den letzten Wochen erleben, dass gegen die zu uns nach Deutschland geflüchteten Menschen Entscheidungen getroffen werden, die nicht nur mit einem Achselzucken abgetan werden können. Sie betreffen elementare Menschenrechte. Es hat den Anschein, als wollten die Regierungsverantwortlichen – „die da oben“ – nachdem sie es sich durch eine eigentlich verantwortungsbewusste, freundliche, offene und moderne Willkommenskultur bei einem Teil der Bevölkerung in deren postfaktischen Welt verscherzt haben, nun mit denen anlegen, die sich der Verantwortung als Bürger gestellt haben, nur um sich wieder mit denen zu versöhnen, denen alles Fremde deswegen zuwider ist, nur weil es fremd ist. Selten habe ich mich so vor den Kopf gestoßen gefühlt, wie durch die Entscheidung, Menschen, die bei uns in Deutschland Schutz gesucht haben, nach Afghanistan abzuschieben.
Was ist von Reden zu halten, die sich über das ehrenamtliche Engagement lobend ergießen, wenn an anderer Stelle die Fürsorge, die Solidarität, die Nächstenliebe der Ehrenamtler über den Haufen geworfen wird. Es ist ja nicht so, dass Ihr alle Euch für die Geflüchteten einsetzt, ohne zu wissen, welche Schicksale diese Menschen mitgebracht haben. Wer wenn nicht die Ehrenamtler wissen um die Ängste und Sorgen der Geflüchteten. Ihr hört die Geschichten. Ihr seht die Gesichter, wenn gebrochen erzählt wird, was Frauen und Männer in ihrer Heimat erlebt haben. Erlebnisse, die sie dazu gebracht haben, zu verlassen, was ihnen lieb ist. Ihr seht die Hoffnung in den Augen derer, die wir nicht nur mit Worten, sondern mit täglichen Taten unterstützen. Wenn Zynismus gegenständlich werden kann, dann in den Kinderspielgeräten in dem Abschiebeknast am Hamburger Flughafen. Eltern handeln immer in der Hoffnung, dass es ihren Kindern besser gehen wird. Diese Hoffnung zerstört die Abschiebung in ein Land, zu dem das Auswärtige Amt in einer Reisewarnung veröffentlicht, dass „in ganz Afghanistan (…) ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden“ bestehe. Es kann „Landesweit (…) zu Attentaten, Überfällen, Entführungen und andere Gewaltverbrechen kommen.“

Und nun? Sapere aude. Es zu wagen, weise zu sein. Das hat viele Varianten. Nicht nur gegen sich selbst den Mut aufzubringen, sondern auch gegen die anderen. Leise durch Taten, laut durch Worte. Ich bin davon überzeugt, dass weiterhin die große Mehrheit in diesem Land es täglich wagt, weise zu sein. Auch und gerade bei uns in Bergstedt. Dafür bedanke ich mich speziell bei denen, die für unseren Verein täglich mit Geflüchteten arbeiten, sich für sie einsetzen, mit ihnen zu Ärzten und Behörden gehen, mit ihnen kochen, spielen, tanzen. Und auch bei denen, die in Gesprächen mit Nachbarn und Kollegen widersprechen den gefühlten Wahrheiten der Schreihälse.

In diesen Sinne wünsche ich Ihnen/Euch allen ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr. Ich hoffe, dass Sie/Ihr die Zeit findet, zwischen den Jahren mit der Seele zu baumeln. Ich freue mich auf ein mutiges 2017.
Stephan Papke

 2. Neuer Vorstand
Wir haben am 23.11. einen neuen Vorstand gewählt.
Bestätigt wurden als 1. Vorsitzender Stephan Papke, als Schriftführerin Regina Valk und als Kassenführerin Karin Brennecke-Öter. Als 2 Vorsitzende neu dabei ist Hendrikje Witt.

3. Dank an Eli Sturmhöbel
Zur Wahl des neuen Vorstands ist Elimar Sturmhöbel aus persönlichen Gründen nicht mehr angetreten. Das ist schade, weil Eli gerade in der Anfangszeit für den Verein ein Motor und Inspirator war, der mit seinem profunden Wissen über Vereinsarbeit im Sozialsektor wichtige Akzente gesetzt und den Verein entscheidend mitgeprägt hat. Wir danken Elimar ganz herzlich für seine Arbeit und freuen uns, dass er uns bei Bedarf weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen wird.

4. Fahrrad AG
Die Fahrrad-AG macht Winterpause. Bis zum Frühjahr werden wird dann auf dem Kirchengelände eine zentral liegende und gut sichtbare Werkstatt errichtet haben.

5. Café International
Am 3. Advent nutzten die Gäste des Cafés die Gelegenheit mit Pastor Tockhorn die Bergstedter Kirche zu besichtigen. Herr Tockhorn erklärte unterstützt durch zwei Dolmetscher den Hintergrund der Weihnacht und des Advent. Das Café International ist nach Weihnachten und Neujahr wieder am 08.01.2017 besetzt. Das Café ist weiterhin der Anlaufpunkt für Geflüchtete und Einheimische in Bergstedt. Es bietet beste Gelegenheit, um mit Geflüchteten und Einheimischen in Kontakt zu kommen.

6. „Der Klavierspieler von Jarmuk – Ein Konzert mit Aeham Ahmad
Im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltungsreihe „grenzenlos“ des Senator- Neumann-Heimes und der Begegnungsstätte Bergstedt wird Ahmed Jarmuk

am
Freitag
24. Februar 2017
20.00 Uhr
Senator-Neumann-Heim
Heinrich-von-Ohlendorff-Straße 20

ein Klavierkonzert geben.
International bekannt geworden ist der berühmte Pianist und Friedensaktivist Aeham Ahmad durch sein Klavierspiel in Mitten der Trümmer des umkämpften Palästinenser Lagers Jarmuk bei Damaskus. Der dort 1988 geborene Musiker spielte auf einem Klavier, welches er unter Lebensgefahr für seine Auftritte auf einem Wasserwagen durch die zerbombten Straßen fuhr. Um vor allem den Kindern und Jugendlichen Hoffnung zu geben, vertonte er zuerst Texte seiner Freunde mit einfachen Akkorden und schwungvollen Refrains. Aber auch mit Beethoven, Bach sowie Chopin, Jazz oder Mozart und immer wieder vielen selbst geschriebenen Liedern schenkte er den Menschen in seiner Heimat ein wenig Freude und spielte gegen den Terror. Seit seinem fünften Lebensjahr lernte er Klavier spielen. Zunächst am Konservatorium in Damaskus anschließend als einer von 270 Studenten an der musikalischen Fakultät der Barth-Universität in Horns.
Nachdem IS-Dschihadisten sein Klavier anzündeten, musste er aufgrund der nicht mehr einschätzbaren Gefahren fliehen. Wie hunderttausende Menschen schlägt er sich über Land zur türkischen Küste durch, von dort mit einem Schlauchboot auf eine kleine griechische Insel und weiter über die Balkanroute, bis er schließlich im September vergangenen Jahres in Deutschland ankommt. Er war gezwungen seine Frau und seine beiden Söhne zurück zu lassen, die Familie konnte Anfang des Monats im Rahmen des Familiennachzugs nach Wiesbaden kommen.
Im Dezember 2015 wurde ihm der erste Internationale Beethovenpreis für Menschenrechte in der Bundeskunsthalle Bonn verliehen.  Begleitet wird Aeham Ahmad an diesem Abend von Shwan Sabah aus dem Irak. Er spielte schon in jungen Jahre Geige und studierte Musik in Kirkuk.
www.aeham-ahmad.com

7. Bilder
Kinder aus den Bergstedter Einrichtungen bei einer Theater-Aufführung in der Bergstedter Schule

 

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